personzentrierte Kunstpädagogik
klientenzentrierte Kunsttherapie
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Mit künstlerischen Mitteln eigene Modelle für Lebensstrategien entwickeln?

 

Personzentrierte Bildung durch die Künste gewährt ganz eigene Bedeutungszusammenhänge und trägt dadurch zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

 

Studien über Wirkungen hinsichtlich der Förderung von Persönlichkeitsentwicklung, die auf künstlerischen Ausdrucksformen basieren, bieten trotz ihrer umfangreichen Art und Analyse wenig Aufschluss über eine eindeutige Zuordnung von Bedingungen. Freilich ist es unbestritten, dass sich kulturelle Bildung auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Was ist es aber genau? Dieser Frage versucht man schon lange auf den Grund zu gehen.

Zwar gibt es zwischenzeitlich einige internationale Studien (Bamford 2010; Winner u.a. 2013), die begründete Hinweise auf Persönlichkeitsentwickelung liefern, dass künstlerische Bildung unter bestimmten Prämissen sich vielfältig positiv, wie auch therapeutisch auf den Menschen auswirkt. Viele dieser Erhebungen formalisieren jedoch lediglich und benennen notwendige, aber keine zureichenden Bedingungen, gerade vor dem Hintergrund der persönlichen Haltung der Pädagogen gegenüber den Beteiligten. Bei genauerer Betrachtung scheint die Zuordnung der Ursächlichkeit und der Kausalität der Wirkungen diesbezüglich schwierig zu sein.

 

Nicht was, sondern vielleicht wie?

Sicher sind es auch die Inhalte guter kunstorientierter Programme im Zusammenwirken bestimmter Rahmenbedingungen und genauso das Engagement der einzelnen Pädagogen, der beteiligten Institutionen, Organisationen und Träger. Mitunter gelingt es vielleicht sogar einzelne Aspekte von der Gewichtung klar auszumachen.

 

Mittels des systemtheoretischen Modells des selbstreferentiellen Lernens und des personzentrierten Ansatzes kann man herausarbeiten, dass in der kulturellen Bildung durch die Künste, die pädagogische Haltung zum Gegenüber wesentlich ist.

(Abb. 1)


Es soll hier der Versuch unternommen werden aufzuzeigen, dass das Prinzip der systemtheoretischen Selbstreferenzialität auf Wertschätzung, Akzeptanz und Authentizität beruht und dies wichtige Bedingungen sind, um Wirkungen in der kulturellen Bildung hervorzubringen. Dies sind Grundvoraussetzungen, auf denen überhaupt jedes Modell der Selbstaktualisierung oder Selbstwirksamkeit basiert.

Das selbstreferentielle System (Selbstbezüglichkeit, auf sich selbst beziehen, Selbstaktualisierung) leitet sich von der Systemtheorie, dem Konstruktivismus und der Neurobiologie ab (vgl. von Foerster 2006, Maturana 1987, Roth 2011)

Das Modell der Selbstaktualisierung ist uns zudem aus dem Personzentrierten Ansatz nach Rogers bekannt. Demnach wird der Organismus des Menschen nicht durch Triebe, sondern von einer einzigen zentralen Energie, der angeborenen Tendenz zur Selbstaktualisierung, Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung, gesteuert. Damit ist die Selbstaktualisierung das grundlegende Motiv für das Tätigwerden des Menschen, um Autonomie und Selbstständigkeit zu erlangen (Rogers 1987).

Das systemtheoretische Modell des selbstreferentiellen Lernens geht davon aus, dass Wahrnehmung die aktive Konstruktion von Wirklichkeit bedeutet. Mit anderen Worten: „Wir addieren nicht einzelne Wahrnehmungsdetails zu einem Bild, sondern entwickeln einen komplexen eigenen Bedeutungszusammenhang in unserem Kopf. Wirklichkeit wird nicht im Gehirn repräsentiert, sondern erzeugt.” (Heyl 2008, S. 95) Das bedeutet, Neues wird im besten Fall mit schon Vorhandenem im Gehirn kombiniert, ergänzt und verknüpft. Diese Konstruktprozesse sind innerhalb der Systeme (Mit- u. Umwelt, Milieu, Kultur) sinnesphysiologischen, neuronalen, kognitiven und sozialen Prozessen unterworfen und können sich auch gegenseitig beeinflussen. Dabei greift der Mensch auf seine Wahrnehmung und seine bereits gemachten Erfahrungen zurück, ergänzt diese aber vor allem mit seinen eigenen Vorstellungen.

Kreativ sein heißt demnach nicht in erster Linie, Neues zu erfinden, sondern das bereits vorhandene, aber bisher voneinander getrennte Wissen auf eine neue Weise miteinander zu verbinden (Hüther o.J.).

 

Kunst als Transfer von Kompetenzen

Es gibt die begründete Vermutung, dass die personzentrierte Haltung der Pädagogen und Begleiter hauptsächlich dafür verantwortlich ist, persönlichkeitsentwickelnde Wirkungen zu fördern, neben anderen wichtigen Rahmenbedingungen; das bedeutet, Projekte und Programme, in denen die Teilnehmer die Prozesse des selbstreferentiellen Lernens mit Begeisterung erleben und eine dialogische Beziehung mit sich und anderen erfahren dürfen. Dies scheinen wesentliche Bedingungen zu sein, warum Bildung durch die Künste als Transfer von Kompetenzen betrachtet wird und Wirkungen bei Menschen hervorrufen kann wie

- Imaginationskräfte stärken, Problemlösungskompetenz und affektives Lernen ermutigen sowie soziale und kulturelle Interaktionen unterstützen,

- Förderung des Reflexionsvermögens, vor allem der Selbstreflexion,

- Verbesserung der Ausdrucksfähigkeit, verbal oder auch nonverbal und

- Bildung durch die Künste als pädagogisches Mittel das Potential haben, Menschen dabei zu helfen, sich zum Leben in Beziehung zu setzen (Bamford 2010, S. 36).

Diese Art der Kunstpädagogik, die personzentrierte Kunstpädagogik, ermöglicht es Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im engen Zusammenwirken ihrer ganz eigenen Lebenswirklichkeit und in der personzentrierten Auseinandersetzung mit künstlerischen Mitteln, eigene Modelle für Lebensstrategien zu entwickeln. Die Kunst dient hier als Quelle zur kulturellen Bildung und kreativen Lebensgestaltung.

 

Der ganz eigene künstlerische Gestaltungsprozess

Im kreativen Gestaltungsprozess bei jedem einzelnen, passiert also eine ganze Menge. Der Mensch wird angeregt, persönlichen und/oder gesellschaftlichen Themen Ausdruck zu verleihen. Im Mittelpunkt des gestalterischen Prozesses steht auch oft das Kundtun des inneren Erlebens in Bezug zur Mitwelt. Das bietet die Möglichkeit, selbständig von der Innenperspektive (Fühlen, Spüren, inneres Erleben) zur Außenperspektive (Betrachten, Einordnen, Bedeutung) zu wechseln und einzutreten ins Zwiegespräch mit sich selbst und anderen. Indem die Themen „ins Bild“ kommen, gewinnt man vielleicht Abstand, Entlastung, freilich auch Überblick und Verständnis für die eigene Lebenssituation und die der anderen. Man kann selbstvergessen ins Tun mit den Farben und Formen eintauchen, Entlastung empfinden und ebenso Freude auftanken. Dabei bekommt man auch Gelegenheit, sich vom passiven „Konsumenten“ seiner Lebenssituation zum „aktiven Schöpfer“ und Gestalter zu wandeln. Man kann Einfluss nehmen und Dinge auf dem „Bild“ beeinflussen sowie neu gestalten, auch wenn es im unmittelbaren Tun zumeist nicht sofort bewusst ist: Man verändert damit immer zugleich „selbstwirksam“ die Bedeutung seines inneren seelischen Erlebens.

 

Hattie-Studie – Wertschätzung, einfühlendes Verständnis und Echtheit

Richten wir dafür den Blick auf eine Studie, die sich allgemein mit Lernentwicklung von Schülern beschäftigt, um verbindende Elemente zur Kompetenzförderung in der Bildung durch die Künste aufzuzeigen. Zur Zeit wird man in Deutschland auf eine Studie des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie aufmerksam, Professor an der University of Melbourne. In der 2013  erschienenen deutschsprachigen Ausgabe „Lernen sichtbar machen“ (Schneider Verlag Hohengehren), legt Hattie eine Megaanalyse vor, die unter anderem einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Haltung von Lehrern und Lernerfolgen von Schülern aufzeigt. Er untersuchte weltweit mehr als 800 Meta-Analysen, 50.000 englischsprachige Einzeluntersuchungen mit 250 Millionen beteiligten Schülern, um der Frage nachzugehen: Was ist guter Unterricht? Neben vielfältigen Bedingungen, die für gute Lernentwicklung verantwortlich sind, denen man freilich auch kritisch gegenüberstehen darf, kristallisiert sich bei Hatties Untersuchungen aber auch etwas ganz Wesentliches heraus: Was Schüler lernen, bestimmt  der einzelne Pädagoge. Er bestimmt laut Hattie mit seiner Haltung gegenüber den Schülern den Lernerfolg. Alle anderen Faktoren wie materielle Rahmenbedingungen, Schulformen und spezielle Lernmethoden sind zweitrangig.

Wenn man heute von Lernentwicklung in der Pädagogik spricht, wird dabei freilich nicht mehr nur die isolierte Vermittlung von Techniken und das Anhäufen von rein kognitivem Wissen angestrebt, sondern durch verbindende Lernprozesse die Chance zum Erwerb grundlegender, übergreifender, personenbezogener und kultureller Kompetenzen erhöht. Hatties Aufarbeiten tausender von Einzelstudien skizziert eine Pädagogik der Selbstreflexion und diese beginnt wesentlich mit der Haltung der Pädagogen den Schülern gegenüber.

Weiter zeigt er auf, große Effektstärke hat die systematische Selbsteinschätzung von Schülern und Lehrern gleichermaßen. Er spricht hier von einer Kultur des Feedbacks. Von Lob spricht er kaum und von Strafe überhaupt nicht – beides hat keinen Einfluss, wenn dann einen negativen. Rückmeldungen sollen neutral erfolgen und falsche Antworten der Schüler sind laut seinen Untersuchungen geradezu erwünscht. Die Untersuchungen zeigen, Fehler sind der Kern des Lernens. Das gilt ebenso für die Schüler wie den Pädagogen. Von Bedeutung in der Hattie-Studie ist auch die emotionale Seite des Lernens. Gegenseitiger Respekt, Wertschätzung, Fürsorge und Vertrauen machen guten Unterricht nach seinen Untersuchungen aus.

 

Hatties Zusammentragen der Untersuchungen fasziniert vor allem, weil diese anscheinend einen wesentlichen Aspekt von Lernen und Unterricht fokussieren und den Blick auf die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer richten (Hattie 2013 S. 151). Aus den Untersuchungen geht eine deutliche Verzahnung zwischen Lernentwicklung und der Haltung des Pädagogen hervor. Von schülerzentriert ausgelegten Unterrichtsprozessen und individuellen Lernschritten, die auf die fortlaufende Standortbestimmung abzielen, ist sogar die Rede. Gemeint ist damit, dass Lehrer den individuellen Entwicklungsstand des einzelnen Schülers beachten und dazu sei die Einbeziehung der gesamten Persönlichkeit der Teilnehmenden, aber vor allem die positive pädagogische Haltung und Überzeugung des Lehrers nötig (Zoubek/Gaile 2011).

Wenn man eingehend die o. g. Studien betrachtet, die Bedingungen für das Zustandekommen von Lernentwicklung in der Schulpädagogik dokumentieren, so kommt man geradezu zwangsläufig auf die Haltung des Personzentrierten Ansatzes zurück. Was Carl Rogers schon vor fast 40 Jahren in „Lernen in Freiheit“ (1974) und Reinhard und Anne-Marie Tausch in „Erziehungspsychologie“ (1973) proklamierten, ist also aktueller denn je. Es ist die Haltung des Pädagogen, die Bedingungen schafft, bestimmte Wirkungen beim Gegenüber hervorzurufen.

(Abb. 2)


Vergleicht man die Bedingungen dieser neuen Untersuchungen von Hattie mit den Grundhaltungen des Personzentrierten Ansatz nach Rogers, so können wir in der Gegenüberstellung wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen. Weiter lässt es den Schluss zu, dass in der Bildung durch die Künste, der personzentrierten Kunstpädagogik, weniger das „Was“ als vielmehr das „Wie“ entscheidend ist.

Hier arbeitet der Pädagoge auf akzeptierende Art und Weise mit dem Gegenüber zusammen, versteht, aber vor allem gewährt er ganz eigene Bedeutungszusammenhänge des Gegenübers und trägt dadurch zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

 

Einfühlendes Verständnis

Wenn man also in internationalen Studien analysiert hat, dass der Pädagoge das Wohl jeden einzelnen Schülers im Blick haben soll und dies einer der wesentlichen Faktoren für gutes Gelingen der Lernentwicklung darstellt, so zählt dies nach dem Personzentrierten Ansatz als eine Grundannahme des einfühlenden Verständnis (Rogers 2001, S. 23). Hattie bestätigt Lernentwicklung, wenn der Lehrer versucht, mit den Augen der Schüler zu sehen (Hattie 2013 S. 132-134). Rogers konstatiert in seinem Ansatz, man solle „in die Haut des Klienten schlüpfen“, um so auf „tiefgreifende und umfassende Weise verstanden und akzeptiert zu werden“ (Rogers 2001, S. 24). Beiden geht es hier, zu mindest um den ernsthaften Versuch, sich in den Gegenüber einzufühlen und Empathie zu zeigen.

Hattie spricht im weiteren Verlauf, wie anfangs erwähnt in seiner Studie, von einer Kultur des Feedbacks, des gegenseitigen Austausches (reziprokes Lehren) und der individuellen Lehrer-Schüler-Beziehung (Hattie 2013 S. 141, 206, 240). Eindeutige Parallelen sieht man bei Rogers Überzeugungen von tiefem Verständnis, das auf unbedingte Weise auf Akzeptiert-zu-werden beruht, als gegenseitige Beziehung. So ist das „in sich selbst ein machtvoller, die Entwicklung fördernder Faktor.“ Man müsse „die Erlebnisse und Gefühle des Klienten und deren persönliche Bedeutung erfassen“ und „in der Welt des Klienten zu Hause [sein].“ (Rogers 2001, S. 23)

 

 

Wertschätzendes Verhalten

Eltern und Pädagogen sollen den Schülern mehr zutrauen. Dies hat sich bei Hattie ebenfalls als zutreffend wirksam erwiesen. Lern- und Persönlichkeitsentwicklung findet vermehrt statt, wenn sich die Schüler als ihre eigenen Lehrer sehen und ihr Leistungsniveaus anhand ihrer eigenen Selbsteinschätzung geprägt ist. Dies bietet ihnen,  sich von Zuschauern in Akteure zu verwandeln (Hattie 2013 S. 52-53, 241).

 

Nach Rogers ist das eine Basisvariable des wertschätzenden Verhaltens oder bedingungsfreien Akzeptierens. Im Personzentrierten Ansatz ist dies gleichzusetzen mit dem Annehmen des Gegenübers als eine Person mit „vielen konstruktiven Möglichkeiten“ (ebd., S. 27). Hier wird von einer „warmen“ und „entgegenkommenden, nicht besitzergreifenden Wertschätzung“ ausgegangen (ebd., S. 27). Der Gegenüber fasst Vertrauen zu sich selbst und kommt durch langsam gewinnende Einsicht, durch Aktualisierung des Selbstkonzeptes zu neuen Ressourcen. Er ist in der Tat sein eigener Lehrer. Er wird angeregt, sich und sein Selbstkonzept weiter zu erkunden und falsche, unrichtige Äußerungen oder Handlungen zu korrigieren, sobald er mehr und mehr Vertrauen zu sich selbst gefunden hat (ebd.).

Hattie betont dieses Verhalten als Effektstärke der positiven Fehlerkultur. Falsche Antworten und unrichtiges Verhalten der Schüler, aber auch der Pädagogen, sind laut seinen Untersuchungen geradezu erwünscht. Seine Untersuchungen zeigen, Fehler sind der Kern des Lernens, man lernt durch Versuch und Irrtum. „Die Antwort“ für effektives Lehren und Lernen gibt es zudem nicht, nur etwa eine wirkungsvolle Antwort unter mehreren (Hattie 2013, S. 211).

 

Echtheit

Realistische Selbsteinschätzung und Selbstreflexion vom Pädagogen und den Schülern sind weitere Wirkfaktoren für einen Lernerfolg. Hattie stellt fest, dass die realistische Selbsteinschätzung von Schülern und Lehrern großen Einfluss hat, wenn sie wechselseitig im Austausch stattfindet und Perspektiven zurückkommuniziert werden (ebd. S. 52, 153). Die Pädagogen und Schüler müssen demnach gleichermaßen ehrlich zu sich und zum Gegenüber sein. Ob ein Unterricht oder gemeinsam festgelegtes Lernziel erreicht wurde, müsse der Pädagoge gemeinsam mit den Schülern uneigennützig reflektieren. Dass dies auf der Einbeziehung der gesamten beidseitigen Persönlichkeit basiert, auf gegenseitigem Vertrauen, Fürsorge und Respekt, ist für Hattie zwangsläufig (Hattie 2013, S. 141.).

In Rogers Ansatz der Echtheit oder Kongruenz bedeutet das, dass der Berater „in der Beziehung zu seinem Gegenüber er selbst ist, ohne sich hinter einer Fassade oder Maske zu verbergen“ (Rogers 2001, S. 30-31). Für den Pädagogen bedeutet dies in Bezug auf das gegenseitige Feedback, gewissermaßen „Barrieren überwinden “ (Rogers 2001, S. 32.).

Wenn Hattie von realistischer Selbsteinschätzung des Pädagogen und des Schülers spricht, wie zuvor erwähnt, ist das gleichzusetzen mit Rogers „echter personaler Beziehung zwischen zwei unvollkommenen Menschen“ (Rogers 2001, S. 32).

Es gibt also Hinweise darauf, dass Beziehung und die Gewährung von Entfaltungsmöglichkeit innerhalb der ganz eigenen Bedeutungszusammenhänge Hauptkriterium für Persönlichkeitsentwicklung in der personzentrierten Pädagogik darstellen. Aus dieser Sicht sind es Methoden und Strukturen des „Wie“, also wie mit dem Gegenüber in Interaktion getreten wird und weniger des „Was“, sprich der Inhalte. Für einen übergreifenden Transfer von Kompetenzen, ist es vielleicht nicht ausschlaggebend, dass es sich vom Inhalt her auf die Kunst bezieht. Dennoch birgt die Bildung durch künstlerische Techniken die geeignetsten Rahmenbedingungen für Persönlichkeitsentwicklung.

Vielleicht ist es im Grunde zweitrangig in welchem „Fachbereich“ eine Persönlichkeitsentwicklung durch personzentrierte Haltung erfahrbar gemacht wird, aber in der Bildung durch die Künste wird dem Gegenüber ohne Zweifel der größte mögliche Rahmen dazu geboten.

(Abb. 3)


In fast keinem anderen „Fachbereich“ hat der Mensch mehr Freiheit ganz eigene subjektive Bedeutungszusammenhänge zu erschließen, als in den Künsten. In diesen subjektiven Kontexten, in der Auseinandersetzung mit Material, der Mit- und Umwelt, der ganz eigenen relevanten Themen, gibt es kein allgemein gültiges Richtig oder Falsch. Wenn man es überhaupt erwähnen muss, dann besteht hierbei für jeden einzelnen die größte positive Fehlerkultur. Die Kunst ist frei! Die Kunstfreiheit untersagt ja auch, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken und besonders den Gestaltungsraum einzuengen und ebenso allgemein verbindliche Regelungen für diesen Schaffungsprozess vorzuschreiben. 

Bildung durch die Künste, durch personzentrierte Kunstpädagogik, beschreibt so gesehen einen subjektiven schöpferischen Prozess, dessen Ergebnis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Die Gewährung dieses Freiraums und der damit verbundene Transfer von Kompetenzen trägt somit wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

 

 

 

Literatur und Quellen

Bamford, Anne: Eine weltweite Analyse der Qualität künstlerischer Bildung. Münster (Waxmann) 2010.

 

von Foerster, Heinz in: Einführung in den Konstruktivismus. München (Piper) 2006

 

Hattie, John: Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“. Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengehren) 2013

Heyl, Thomas: Phantasie und Forschergeist. München (Kösel-Verlag) 2008.

Hüther, Gerald, http://www.kulturwandel.org/wie-gehirngerechte-fuehrung-funktioniert.html, und http://www.gerald-huether.de/ populaer/veroeffentlichungen-von-gerald-huether/texte/begeisterung-gerald-huether/index.php

Maturana, Humberto/Varela, Francisco: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. München (Goldmann Verlag) 1987

Rogers, Carl: Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehung (USA 1957/59). Köln (GwG) 1987.

Rogers, Carl: Lernen in Freiheit. Zur Bildungsreform in Schulen und Universitäten. München (Kösel) 1974.

Rogers, Carl: Therapeut und Klient, Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M. (Fischer) 2001.

Roth, Gerhard: Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt. Stuttgart (Klett-Cotta) 2011

 

Tausch, Reinhard/Tausch Anne-Marie: Erziehungspsychologie. Psychologische Prozesse in Erziehung und Unterricht. Göttingen (Hogrefe) 1973.

Winner, Ellen/Goldstein, T./Vincent-Lancrin S.: Kunst um der Kunst willen? Ein Überblick. Paris (OECD Publishing) 2013.

Zoubek, Walter/Gaile, Dorothee: Mit den Augen der Lernenden. Erfolgreich lernen – was wirklich wirkt. In: BildungBewegt, Nr. 13, Juni 2011, S. 4–8.

 

Oliver Jung (Jg. 1971), Kunstpädagoge, Arbeitsschwerpunkt: personzentrierte Kunstpädagogik und Kunsttherapie in schulischen- u. außerschulischen Bildungsbereichen, Dozent an der Musik- u. Kunstschule Bruchsal, Referent an der Landesakademie f. Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen Bad Wildbad; E-Mail: oliver-jung@email.de

 

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beinhaltungsmodell, Oliver Jung

Abb. 2: Haltung, Bedingungen, Wirkungen, Oliver Jung

Abb. 3: Vergleich selbstreferentiell/fremdreferentiell, Oliver Jung